Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.07.2021 – Az.: 5MB16/21
Starke Einschränkung des Gedächtnisses oder befürchtete baldige mittelschwere Demenz rechtfertigen alleine noch keinen Entzug der Fahrerlaubnis.
Der Entzug der Fahrerlaubnis wegen einer behaupteten Demenz, setzt ein entsprechendes fachärztliches Gutachten voraus. Allein eine starke Einschränkung des Gedächtnisses oder eine befürchtete baldige mittelschwere Demenz rechtfertigt keine Fahrerlaubnisentziehung. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2021 wurde einem Mann die Fahrerlaubnis entzogen. Begründet wurde dies damit, dass er wegen einer Demenzerkrankung nicht zum Führen eines Kraftfahrzeuges geeignet sei. Die Einschätzung stützte die zuständige Behörde auf ein fachärztliches Gutachten, welches eine starke Einschränkung des Gedächtnisses und das baldige Erreichen des Stadiums einer mittelschweren Demenz attestierte. Gegen die Fahrerlaubnisentziehung beantragte der Mann Eilrechtsschutz. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein statt.
Hiergegen legte die Behörde Rechtsmittel ein.
Unzulässiger Entzug der Fahrerlaubnis bei starken Gedächtnisstörungen und befürchteter künftiger mittelschwerer Demenz
Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein bestätigte als Rechtsmittelinstanz die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung einer schweren Altersdemenz sei rechtswidrig.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das fachärztliche Gutachten weder eine solche Erkrankung noch eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten des Antragstellers festgestellt habe. Zwar sei sein Gedächtnis stark eingeschränkt. Ob und inwieweit daraus eine Einschränkung der Fahreignung resultiere, lege das Gutachten jedoch gerade nicht dar. Auch die Einschätzung, dass das Stadium einer mittelschweren Demenz bald erreicht sei, rechtfertige keine Fahrerlaubnisentziehung, da es sich hierbei um eine bloße Vermutung handele.
„Die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht als erwiesen anzusehen. Der Antragsgegner habe nicht aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … … vom 25. Januar 2021 und seines Amtsärztlichen Dienstes vom 19. März 2021 davon ausgehen dürfen, dass die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststehe. Fachärztlich diagnostiziert sei beim Antragsteller eine leichte kognitive Beeinträchtigung, die den chronischen hirnorganischen Psychosyndromen im Sinne der Ziffer 7 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zuzuordnen sei. Diese schließe in einer leichten Ausprägung – wie sie nach Aktenlage auch beim Antragsteller nach wie vor vorliege – die Fahreignung nicht kategorisch aus, sondern führe zu einer bedingten Fahreignung, der durch die Anordnung von Auflagen Rechnung zu tragen sei“, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung wörtlich.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig Holstein ist unanfechtbar. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Behörde auferlegt.