Ricarda Thewes | Fachanwältin für Medizinrecht
Bundesverfassungsgericht kippt Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe und erklärt § 217 StGB für verfassungswidrig
Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 26.02.2020, Aktenzeichen 23 vR 2347/15
§ 217 des Strafgesetzbuches (StGB) besagt: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt …, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Durch diese Norm sollte kommerzialisierte Sterbehilfe unterbunden werden.
Ziel des Bundestages war mit der 2015 verabschiedeten Regelung, das Auftreten von Sterbehilfevereinen zu verhindern. Dies hielten Ärzte, Sterbehelfer und Schwerkranke für verfassungswidrig und reichten Verfassungsbeschwerde ein. Ärzte argumentierten, dass § 217 StGB nicht sicher stelle, dass sie bei geleisteter Sterbehilfe straffrei blieben. Ungewiss sei auch, ob die Norm bislang straffreie Formen der Sterbehilfe und Palliativmedizin mit erfasse. Patienten rügten die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Organisationen, die Sterbehilfe anboten, sahen ihre Grundrechte verletzt, da ihre Mitglieder nicht tätig werden durften.
Am 26.02.2020, entschied das Bundesverfassungsgericht: Das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe ist verfassungswidrig. In der Urteilsbegründung führte der Präsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, aus, es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen. Hierbei spiele es keine Rolle, ob der sterbewillige Mensch erkrankt sei, oder nicht. Paragraph 217 des Strafgesetzbuches mache dies jedoch weitgehend unmöglich. Die Verfassungsrichter erklärten das 2015 eingeführte Verbot deshalb für nichtig.
Voßkuhle betonte, der Gesetzgeber könne Suizidprävention betreiben und palliativmedizinische Angebote ausbauen. Die Straflosigkeit der Sterbehilfe stehe aber nicht zu dessen freien Disposition. Ohne Dritte könne der Einzelne seine Entscheidung zur Selbsttötung nicht umsetzen. Daher müsse diese auch rechtlich und tatsächlich möglich und umsetzbar sein. Einen Anspruch auf Sterbehilfe gebe es aber nicht, betonten die Richter. Das Urteil verpflichtet somit keinen Arzt, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten. Der Gesetzgeber verfüge über ein „breites Spektrum an Möglichkeiten“, die Sterbehilfe zu regulieren. Die Hilfe dürfe aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob zum Beispiel eine unheilbare Krankheit vorliege. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben bestehe in jeder Lebensphase eines Menschen, betonte Voßkuhle. „Wir mögen seinen Entschluss bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimmen, wir müssen seine freie Entscheidung aber in letzter Konsequenz akzeptieren“ so Voßkuhle bei der Urteilsbegründung.
Dieses Urteil wird nicht nur den Gesetzgeber fordern, neue Regelungen bezüglich der Sterbehilfe zu schaffen. Es hat auch Auswirkungen im Bereich der Patientenverfügungen. Das Urteil schafft einen enormen Handlungsspielraum, das persönliche Lebensende zu bestimmen und zu gestalten.
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Ricarda Thewes
Fachanwältin für Medizinrecht